04 April 2013 antje.kilian

 

Das Musik- und Filmindustrie keine Fans des schnellen und weitestgehend anonymen Datenaustauschs über das Internet sind, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Die einschlägige Presse berichtet unerlässlich von Klagewellen gegen Internetnutzer, die sich des verteufelten Filesharings schuldig gemacht haben. Fest steht, die rechtliche Handhabe zum Thema IP Recht im Internet steckt momentan noch in den Kinderschuhen und die Liste der Grauzonen und Schlupflöcher ist lang.

Eine Idee der belgischen Künstlervereinigung SABAM sollte diese Problematik nun ein für allemal lösen. In einer Reihe von Gerichtsverfahren versuchte das Unternehmen Internet Access Provider und Host Provider dazu zu verpflichten, allgemeine Sperren in ihr System einzufügen, die sämtliche Kommunikation ihrer User auf urheberrechtlich fragwürdige Inhalte filtern sollte. Das endgültige Ende der Anonymität im Internet?

 

SABAM vs. Scarlet

Alles begann damit, dass mehrere auffällig gewordene IP Adressen zu Kundenanschlüssen des niederländischen Internetanbieters Scarlet zurückverfolgt werden konnten. SABAM strebte daraufhin ein Gerichtsverfahren an, wonach Scarlet dazu verurteilt werden sollte, ein generelles Filtersystem zu integrieren, welches sämtliche Kommunikation ihrer Kunden auf mögliche Urheberrechtsverletzungen kontrolliert. Wenn das System eine solche Verletzung nachweißt, müsste Scarlet den Namen sowie die Adresse des betroffenen Kunden an den Rechteinhaber weitergeben, damit dieser unverzüglich ein ordentliches Gerichtsverfahren anstreben könnte. Das alles natürlich auf Kosten des Internetanbieters und damit auf Kosten der Kunden, versteht sich.

Das belgische Gericht sah sich mit dieser Anfrage überfordert und konsultierte daher den Europäischen Gerichtshof mit der Bitte um Klärung. Darf ein nationales Gericht einen so weitreichenden Eingriff in die Privatsphäre unzähliger Benutzer bewilligen?

 

Der EuGH

Der EuGH sah hier zwei sehr wichtige Grundrechte kollidieren. Zum Einen das Recht auf Schutz des geistigen Eigentums und zum Anderen die Schutz der Privatsphäre. Der EuGH war der Ansicht, dass es dem Internetanbieter sowie seinen Kunden nicht zuzumuten ist, eine von Zeitraum und Umfang unbeschränkte Überprüfung über sich ergehen zu lassen und wies daher das Anliegen SABAM’s ab.

Privatsphäre FTW?

Nicht wirklich. Juristen streiten noch über den Wert dieser Entscheidung. Trotz dass die allmächtige Musikindustrie enorm auf die Bretter geschickt wurde, nehmen es die Juristen sehr genau und begründen, dass die Zurückweisung nur für das speziell angefragte Filterungssystem gelten würde. Ein generelles Nein zum Filtern persönlicher Informationen ist das noch nicht.

 

Aber so gut wie oder?

Nicht wenn es nach unseren Nachbarn von der anderen Teichseite geht. Datenschutz wird ja bekanntlich nicht gerade großgeschrieben in den USA. Während in UK die Internetanbieter gemeinschaftlich auf die Barrikaden gehen, gründen die amerikanischen Access Provider sogar eine Gemeinschaft mit den Vertretern der Musik- und Filmindustrie. Die Internet Service Provider Gruppe ISP, deren Mitglieder insgesamt 60% des amerikanischen Marktanteiles ausmachen, gründeten gemeinsam mit einigen namen haften Künstlervereinigungen das CCI, Center for Copyright Information. Zusammen wurde ein 4 Jahres Vertrag geschlossen, der vor allem die Einführung eines Copyright Alert Systems zum Inhalt hat. Schlaues Vorgehen der Künstlerverbände? Sie übernehmen die Hälfte der Kosten und der Rest kann ja im Notfall noch 1:1 auf den Kunden umgewälzt werden.

 

Copyright Alert System oder nix gönnen sie einem!

Das Alert System funktioniert folgender Maßen: Private Unternehmen durchsuchen das Internet nach möglichen Rechtsverletzern. Wird ein solcher aufgespürt, gibt es eine Meldung an den Internetanbieter. Dieser trägt den Verstoß in eine Datenbank ein und sendet dem Kunden gleichzeitig eine Warnung, dass sein Fehlverhalten registriert wurde. Erfolgen einige Warnungen innerhalb eines kurzen Zeitrahmens wird’s ernst. Technische „Bestrafungen“ sind die Folge, wie zum Beispiel die Drosselung der Netzgeschwindigkeit oder wenns ganz hart kommt sogar die Sperrung des Zugangs. Der Kunde bekommt dann die Möglichkeit an einem Besserungsprogramm teilzunehmen, bei dem ihm das unerwünschte Verhalten abtrainiert wird bis er sich wieder als verantwortungsbewusster Internetnutzer bewährt hat.

Zusätzlich werden die Ergebnisse der Inquisition Untersuchung in einem monatlichen Bericht an die Rechteinhaber übersendet, damit diesen der Gang vor Gericht dadurch erleichtert wird, dass sie sich nicht mehr mit dem lästigen Raussuchen von Namen und Adressen rumärgern müssen.

 

Aber ich wars doch garnicht!

Zu Unrecht beschuldigt? Keine Sorge! Es kann natürlich Beschwerde gegen die Verwarnungen eingelegt werden. Gegen einen geringen Unkostenbeitrag von 35$ kann der Kunde eine zweite Überprüfung beantragen, die dann von einem durch die Vertreter der Künstlerverbände gestelltes Anwälteteam durchgeführt wird.

Fazit: lieber noch schnell ein paar Downloads anschieben

Ein weiterer Schritt in die totale Offenlegung des Internets. Zwar kann man sicherlich argumentieren, dass die Schaffer geistigen Eigentums ein berechtigtes Interesse an der Kohle Wahrung ihrer Rechte haben, aber das ein solches System, einmal eingeführt, sich nicht nur auf Verstöße gegen das Copyright beschränkt dürfte jedem klar sein. Wir haben das Glück, dass Europa sich noch zögerlich bei derartig starken Eingriffen bewegt, aber wie man am Beispiel des britischen Digital Aconomy Acts sieht, kann dieser Trend schneller zu uns überschwappen als uns lieb ist.

Mehr Informationen auf Heise Online oder im Urteilstext des EuGH.

 

Anmerkung:

Dieser Blog Post wurde von Antje Kilian verfasst, die ansonsten für die Übersetzung der englischen Artikel auf Code Inside verantwortlich ist. Da sie sich momentan in den letzten Zügen ihres Studiums des Internetrechts befindet, dachten wir es wäre eine gute Idee etwas davon auch für den Blog zu nutzen.

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